Hallo an das Forum!
Seit ein paar Tagen habe ich viele offene Fragen und bin auf der Suche nach Antworten hier gelandet, in der Hoffnung, hier evtl. ein paar Antworten zu bekommen.
Ich bin alleinerziehender Vater von einem 17-jährigen Jungen.
Die Erziehung von meinem Sohn war schon immer schwierig. Mit Anfang 20 bin ich ungewollt Vater geworden und als er 6 Jahre alt war, hat die Mutter uns beide alleine gelassen.
Damals hatte ich Unterstützung vom Jugendamt, weil ich hoffnungslos überfordert war.
Nicht nur wegen der neuen Situation, sondern auch, weil ich hart erzogen wurde und zu meinen Eltern distanziert aufgewachsen bin. Ich wollte es besser als mein Vater bzw. meine Eltern machen, aber es war und ist immer noch sehr schwer für mich gegen die Erziehung und Prägung, die ich erhalten und verinnerlicht habe, anzuarbeiten.
Als die Pubertät von meinem Sohn anfing, brauchte ich dann noch einmal Unterstützung vom Jugendamt. Ich dachte, ich bin mittlerweile mal durch damit, aber die Probleme mit ihm hören einfach nicht auf.
Am Montag habe ich erfahren, dass mein Sohn schwul ist. Es war auch noch die denkbar schlechteste Situation, denn ich habe ihn beim Sex mit einem anderen Jungen erwischt.
Auch wenn wir das Jahr 2025 haben und alle doch so liberal sind, habe ich große Probleme damit. Schwul sein ist einfach falsch.
Auch wenn ich hier evtl. einen Shitstorm bekomme, ist dies meine Überzeugung und stehe mal wieder vor einem großen Konflikt, wie so oft in meiner Vergangenheit aufgrund meiner Erziehung und Prägung meiner Eltern.
Bisher haben mein Sohn und ich dieses Erlebnis komplett ignoriert, aber das geht ja nicht ewig weiter so und erst recht nicht gut. Ich kenne mich ja.
Bevor ich jedoch wahrscheinlich wieder falsch reagiere, habe ich mich die letzten tage informiert.
In den letzten Tagen habe ich mir oft die Warum-Frage gestellt und viel recherchiert, weil ich mich die ganze Zeit frage, was ist wann schief gelaufen?
Meine Internetrecherche hat ergeben, dass Sexualität wohl sehr kompliziert ist. Es ist nicht angeboren eher gewisse Veranlagungen, aber vielmehr vom Umfeld und vom Aufwachsen abhängig ist.
Wenn dem so ist, habe ich meinen (großen) Anteil daran und frage mich, was ich falsch gemacht habe.
Als seine Mutter uns damals verlassen hat, war mein Sohn sehr anhänglich und ängstlich. Durch die Unterstützung vom Jugendamt habe ich damals gelernt, von ihm aus zu denken und zu erkennen was er braucht. Über sehr lange Zeit habe ich sehr viel Nähe zugelassen. Ich meine es wirklich so, da dies neu für mich war, weil ich anders aufgewachsen bin. Wir haben viel gekuschelt, er hat wegen der vielen Albträume viel bei mir im Bett geschlafen usw.
Ich frage mich, ob ihn das schwul gemacht hat und es somit doch ein Fehler war.
Er ist jemand den man, und ehrlich gesagt auch ich, als Weichei bezeichnen würde. Auch heute noch. Wie gesagt, ich habe die letzten 10 Jahre immer wieder versucht zu schauen, was er braucht, ihn zu ermutigen aber nicht zu überfordern. Naja so gut es mir eben gelungen ist, dann ich bin komplett anders erzogen worden. Wahrscheinlich war es doch ein Fehler und ich hätte wahrscheinlich doch härter mit ihm sein müssen.
Die sehr peinliche Situation vom Montag lässt sich ja nicht ewig ignorieren, aber ich weiß auch nicht, wie ich darauf reagieren soll.
Einerseits meine Ablehnung und zusätzlich die Erkenntnis der letzten Tage, dass man ihn nicht umpolen kann.
Andererseits ist er mein Sohn, den ich eigentlich liebe und er es mir mal wieder wie unzählige Male zuvor schwer macht.
Ich weiß er macht es nicht absichtlich, aber mir kommen dann immer wieder doch solche Gedanken.
Ich hoffe, Sie/Ihr könnt mir einen Rat geben. Dafür wäre ich dankbar.
Grüße
Bastian
Hallo Bastian,
da hat sich ja recht schnell eine passende Gelegenheit für ein gemeinsames Gespräch gefunden! Schön, dass es Ihnen gelungen ist, keine Vorwürfe auszusprechen. Ihr Sohn ist bestimmt erleichtert, dass es nun "raus" ist, er sich offiziell vor Ihnen bekennen konnte. Klar hat er Befürchtungen gehabt, es Ihnen zu sagen, denn er kennt Sie und ihre konservative Haltung bereits ein paar Jahre. Ich denke, es ist Ihrem Sohn sehr bewußt, wie sehr Sie mit dieser Information zu kämpfen haben. Und er ist sich dessen ebenso bewußt, dass Sie sich aus Liebe zu ihm zurücknehmen. Ich denke, Sie haben einen ganz entscheidenden Schritt für ihre Vater-Sohn-Bindung geleistet.
Die Frage, ob Sie es hätten durch Erziehung verhindern können, würde ich klar verneinen. Bestenfalls hätte er es für ein paar Jahre verheimlicht, sich vielleicht zuvor in eine unglückliche Beziehung zu einer Frau gestürzt. Ich möchte nicht wild rumspekulieren. Ihr Sohn hat einen sehr reflektierten Umgang mit diesem Thema bewiesen. Und auch mit dem Thema "Ansteckung" bei sexuellen Kontakten haben die Jugendlichen manchmal sogar mehr Wissen als wir Erwachsenen.
Vertrauen Sie und mit der Zeit wird sich sicher auch eine Akzeptanz bei Ihnen einstellen. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie das Jubeln anfangen, dass Ihr Sohn nun Teil der prominenten LGBTQ Community ist. Das Outing Ihres Sohnes hat ja sehr viele veränderte Lebensumstände zur Folge, welche nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Familie betreffen.
Den Anfang haben Sie geschafft! Viel Kraft wünsche ich Ihnen für die nächsten Schritte
bke-Nana
Hallo bke-Nana!
Danke für die schnelle Antwort.
Wir haben gestern zusammen gefrühstückt und ich habe den Rat berücksichtigt. Also das Gespräch zu suchen und nicht vorwurfsvoll, sondern eher fragend zu sein. So gut es eben ging.
Mein Sohn hat gesagt, dass er schwul ist und das auch schon ca. 5 Jahre weiß bzw. ihm mit 12 die ersten Gedanken dazu kamen.
Daraufhin habe ich gefragt, warum er damals nichts erzählt habe. Ich hatte eher den Gedanken, evtl. hätte man es damals noch in die richtige Richtung lenken können.
Mein Sohn sagte allerdings, dass er damals wie heute Angst davor hatte, also Angst vor mir.
Das hat ordentlich gesessen, weil ich es anders eingeschätzt habe. Mir ging es an dem Tag lange durch den Kopf und musste leider einsehen, dass es verständlich ist.
Am Nachmittag habe ich ihn noch einmal darauf angesprochen. Es war ein schwieriges Gespräch, weil ich nicht plötzlich eine andere Einstellung zum Schwulsein bekommen habe.
Am Liebsten hätte ich ihm auch verboten seinen Freund zu sehen, aber ich weiß selbst, dass es nichts bringen würde.
Vor einigen Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Sohn über safer Sex und wie er sich verhalten sollte, also „nein heißt nein“: egal was er gerne denkt und möchte, wenn sie „nein“ sagt, muss er es akzeptieren!
Gestern hatte ich ein ähnliches Gespräch, weil ich Angst, um ihn bekommen habe. Vor ein paar Jahren, war mir safer Sex sehr wichtig, damit er nicht so früh Vater wie ich wird. Gestern wollte ich einfach nur, dass er auf sich aufpasst und keine schlimmen Krankheiten bekommt. Außerdem habe ich auch noch einmal das „nein heißt nein“ ansprochen, aber in einer anderen Rolle. Egal was ein anderer Junge gerne will, wenn er (mein Sohn) kein Sex o.ä. mit dem anderen haben möchte, soll er es klar kommunizieren und sich zur Not wehren oder Hilfe holen.
Beide Themen waren mir plötzlich wichtig, aber vor allem das letzte Thema ist mir so schwer gefallen, weil ich nie gedacht hätte, dass ich mit meinem Sohn bespreche. Eher mit einer Tochter aber nicht meinen Sohn. Dies hat mich mich in dieser Hinsicht auch noch einmal in meinen konservativen Ansichten bestätigt hat.
Mein Sohn ist gestern Abend wieder los, um sich mit seinem Freund zu treffen. Eigentlich wollte ich es ihm verbieten. Den ganzen Abend und Nacht kamen mir viele negative Gedanken.
Ich stehe vor einem sehr großen Dilemma. Einerseits lehne ich Teile von meinem Sohn ab und andererseits ist er mein Sohn, den ich beschützen will und es mich sehr getroffen hat, zu hören, dass er Angst vor mir hat.
Grüße
Bastian
Hallo Bastian,
zunächst möchte ich mich für Ihre Nachricht bedanken. Auch für Ihre Offenheit und das Vertrauen, Ihre Situation im Elternforum so ausführlich zu beschreiben.
Ich habe seht viel Respekt, wie Sie die Aufgaben, die an Sie gestellt werden und wurden mit so viel Feingefühl und Empathie gemeistert haben. Es ist keine leichte Aufgabe, ein Kind weitgehend alleinerziehend auf den Alltag vorzubereiten. Und dazu noch, wenn Sie selbst noch sehr jung waren. Auch Ihre Entscheidung finde ich bemerkenswert, mit Ihrem Sohn, anders als Sie erzogen wurden, umzugehen.
Nun ist etwas geschehen, was Sie irritiert hat. Sie haben zufällig erlebt, wie Ihr Sohn mit einem andren Jungen intim war. Ganz schön peinlich für beide Seiten.
Aufgrund dieses Ereignisses nehmen Sie nun an, dass Ihr Sohn schwul ist, was Sie schockiert. Das finde ich gar nicht so verwunderlich, wenn Sie sich mit dieser Thematik auch noch gar nicht so intensiv beschäftigt haben.
Sie hätten gern einen Tipp, ob es vielleicht ein Erziehungsfehler sein könne. Da möchte ich Sie gleich etwas beruhigen. Jugendliche machen häufig gleichgeschlechtliche Erfahrung, ohne dass es eine klare Entscheidung in eine Richtung bedeuten muss. Es ist sicher kein Fehler gewesen, wenn Sie Ihren Sohn mit Zuneigung und Nähe erzogen haben. Das sind Grundbedürfnisse von Kindern und Erwachsenen, die leider nicht immer befriedigt werden. Sie haben Ihrem Sohn dies geben können. Das ist sicher kein Grund schwul zu werden. Vielleicht ist ihm die Nähe zu weiblichen Personen einfach nicht vertraut oder die Jungs haben experimentiert.
Meine Idee dazu wäre, Sie suchen in einem passenden Moment das Gespräch mit Ihrem Sohn. Sie können auch darin thematisieren, wie Sie darüber empfinden. Natürlich ohne Vorwürfe, lieber Fragen stellend. Können Sie sich sowas vorstellen?
Herzliche Grüße
bke-Nana